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SOS-Kinderdorf Estelí Nicaragua - Bericht 2021

Wirtschaftskrise und Pandemie. Das vergangene Jahr war in Nicaragua stark von der Covid-Krise geprägt. 44% der Haushalte hatten im Jahr 2021 ein geringeres Einkommen als zwei Jahre zuvor. Dies hat zum Beispiel zur Folge, dass sich heute ein Viertel der Familien nicht mehr genügend Nahrungsmittel leisten können. Die wirtschaftliche Not führte zu Spannungen und Konflikten in den Familien und hatte auch zur Folge, dass zahlreiche Menschen in Richtung USA emigrierten.

Kinder und Jugendliche waren von der schwierigen Situation besonders betroffen. Sie litten unter der zunehmenden häuslichen Gewalt. Familien, die versuchten, irregulär in die USA auszuwandern, setzten ihre Kinder weiteren Gefahren aus. Zudem mussten die betroffenen Kinder und Jugendlichen ihre Ausbildung abbrechen.

Was wir im Jahr 2021 erreicht haben:

  • SOS-Kinderdorf begleitete insgesamt 91 gefährdete Familien und unterstützte sie mit Hilfs-gütern sowie psychologischer Beratung und Elternbildungskursen.
  • 103 Kinder und Jugendliche lernten auf spielerische Weise, ihre Gefühle auszudrücken und für die Rechte von Kindern und Jugendlichen einzustehen.
  • 44 Väter nahmen an Workshops teil, an denen sie Rollenvorstellungen hinterfragten und lernten, ihre Vaterrolle aktiv und liebevoll zu gestalten.
  • 9 Männer liessen sich zu Promotoren für Väter-Workshops ausbilden.
  • 23 leitende Mitarbeitende der öffentlichen Verwaltung sowie von Stadtteilorganisationen und Vereinen schlossen einen Lehrgang zum Thema «Kinderrechte und Familie» ab.

UNSERE AKTIVITÄTEN IM EINZELNEN

Familienstärkung

Ziel:

Kinder und Jugendliche wachsen in einem schützenden und förderlichen Umfeld auf.
Materielle Hilfe für bedürftige Familien sowie Familien mit einer Gefährdungsmeldung des Jugendamts

Indikatoren:

15 Familien mit einer Gefährdungsmeldung des Jugendamts sowie 80 weitere Familien, die sich in einer existenziellen Notlage befinden, werden umfassend begleitet und unterstützt.
Die Mitglieder der begünstigten Familien verbessern ihre psychische und körperliche Ge-sundheit und gehen respektvoller miteinander um. Die Mütter und Väter erwirtschaften ein besseres Einkommen und setzen dieses für ihre Kinder ein.

Zielerreichung:

Im vergangenen Jahr wurden 14 Familien mit einer Gefährdungsmeldung des Jugendamts sowie 77 weitere Familien, die sich in einer existenziellen Notlage befanden, bedarfsgerecht unterstützt.
70 Erziehungsberechtigte können heute besser mit ihren Kindern umgehen. In diesen Fami-lien gibt es weniger Gewalt, und die Väter beteiligen sich stärker an der Erziehung. Zudem konnten 36 Familien das Programm erfolgreich abschliessen und benötigen keine Hilfe mehr.

Familienentwicklungspläne:

Mitarbeitende von SOS-Kinderdorf Nicaragua erarbeiteten mit allen 91 begleiteten Familien einen Familienentwicklungsplan. Darin hielten die Familienmitglieder gemeinsam fest, welche Ziele sie erreichen möchten und welche Ressourcen sie selber mitbringen. SOS-Kinderdorf besuchte die Familien regelmässig, um gemeinsam zu überprüfen, ob die Ziele und Zwi-schenziele erreicht werden und ob zusätzliche Hilfen nötig sind.

Materielle Nothilfe:

SOS-Kinderdorf unterstützte alle begünstigten Familien mit Grundnahrungsmitteln, Spielsachen, Lernmaterial und Kinderkleidern.

Gesundheitsförderung:

Die Familien erhielten Hygieneprodukte wie Seife, Desinfektionsmittel und Masken und lernten, diese richtig zu verwenden. Zudem wurden sie über den Nutzen der Covid-Impfung aufgeklärt.

Medizinische Versorgung:

Alle Kinder und Jugendlichen aus Familien mit Gefährdungsmeldung wurden regelmässig medizinisch untersucht und wenn nötig behandelt und nach Plan geimpft.

Psychische Gesundheit:

17 Kinder und Jugendliche, die Gewalt erfahren hatten, wurden psychologisch betreut. Sie lernten, ihre Erfahrungen zu verarbeiten, mit ihren Gefühlen umzugehen und sich selbst wertzuschätzen. Die behandelnden Psychologinnen erstellten jeweils einen Therapieplan, den sie regelmässig überprüften.

Erziehungskompetenzen:

Alle Familien wurden von pädagogischen Fachleuten begleitet. Die Eltern lernten, mit ihren Kindern respektvoll umzugehen, ihre Entwicklung zu fördern und Konflikte ohne Gewalt zu lösen. Erwachsene, Jugendliche und Kinder wurden darin bestärkt, geschlechtsspezifische Rollenmuster zu hinterfragen. Die Familienmitglieder wurden auch dabei unterstützt, ein soziales Netz aufzubauen und sich Hilfe zu holen. Zudem fanden regelmässige Hausbesuche sowie Telefongespräche statt mit dem Ziel, die Erziehungskompetenzen der Eltern zu stärken.

Austausch zwischen Bezugspersonen und Kindern

Insgesamt nahmen 113 Mütter, Väter, Kinder und weitere Bezugspersonen wie Grosseltern, Paten oder Tanten an gemeinsamen Treffen teil. Durch Gruppenspiele wurden die emotionalen Bindungen in den Familien gestärkt, und die Teilnehmenden übten sich darin, einander mit Respekt zu begegnen und Konflikte friedlich zu lösen. Die Erwachsenen diskutierten auch darüber, was sie unter «verantwortungsvoller Elternschaft» verstehen und wie sie ein sicheres und schützendes Umfeld für ihre Kinder schaffen können. Insbesondere wurde dabei die Beziehung der Bezugspersonen ausserhalb der Kernfamilie (Grosseltern, Patinnen etc.) gestärkt.

Ergebnis:

  • 95% der Teilnehmenden erkannten, dass psychische und physische Gewalt ungeeignete Erziehungsmethoden sind und dass Kinder davor geschützt werden müssen.
  • 95% der Teilnehmenden berichteten, dass sich die Kommunikation in der Familie verbessert habe und sie insbesondere besser Grenzen setzen und mit negativen Gefühlen wie Wut umgehen könnten. Die Frauen erklärten zudem, dass ihr Selbstbewusstsein gestiegen sei und ihre Fähigkeiten stärker anerkannt würden.
  • «Wir sprechen in der Familie mehr miteinander und lösen Konflikte jetzt durch Gespräche. Zudem haben wir nun ein starkes soziales Netz, auf das wir in Not-fällen zurückgreifen können.» (Elena Valdivia, Mutter)
  • «Wenn ich wütend oder ge-stresst bin, schreie ich meine Kinder nicht mehr an und schlage sie nicht mehr, sondern denke zuerst nach. Ich gehe jetzt mit meinen Söhnen und Töch-tern viel liebevoller um.» (Yessica Montenegro, Mutter)

Berufliche Integration:

In Einzelfällen finanziert SOS-Kinderdorf kurze, praxisorientierte Ausbildungen, damit eine Familie ein eigenes Einkommen erwirtschaften kann. So konnte eine Mutter einen Kosmetik- und Coiffeurkurs absolvieren. Danach erhielt sie das nötige Material, um in ihrem Wohnzimmer einen kleinen Schönheitssalon einzurichten. Wegen der Pandemie-Massnahmen war es jedoch nicht möglich, dieses Angebot weiteren Eltern zugutekommen zu lassen.

Arbeit mit Kindern und Jugendlichen

Ziel:

Kinder und Jugendliche kennen ihre Rechte und bringen sich in die Gemeinschaft ein.

Indikator:

80 Kinder und Jugendliche aus Familien in einer Notsituation sowie 28 Kinder aus Familien mit einer Gefährdungsmeldung des Jugendamts nehmen an Workshops zum Thema «Kinderrechte» teil und wenden an, was sie gelernt haben.

Zielerreichung:

Im vergangenen Jahr wurden 77 Kinder und Jugendliche aus Familien in einer Notsituation sowie 26 Kinder aus Familien mit einer Gefährungsmeldung des Jugendamts erreicht.

Workshops zum Thema «Kinderrechte und Kinderschutz»:

Die Kinder und Jugendlichen nahmen an verschiedenen Workshops teil, in denen sie sich über ihre Gefühle und Erlebnisse austauschen konnten. Sie lernten, dass sie das Recht haben, sich etwa gegen unangenehme Berührungen zu wehren, und dass ihre Bedürfnisse von den Erwachsenen ernst genommen werden müssen. Je nach Alter der Teilnehmenden wurden dazu Rollenspiele, Zeichnungen oder Gesprächsrunden eingesetzt.

Kinder aus Familien mit einer Gefährdungsmeldung des Jugendamts:

Diese Kinder und Jugendlichen sind besonders verletzlich. Die meisten haben in der Vergangenheit Misshandlungen und sexuelle Übergriffe erlitten. Die Workshops für diese Kinder und Jugendlichen wurden so angepasst, dass sie ihren Bedürfnissen gerecht wurden.

Raum für Erholung und Geselligkeit:

Die Workshops und Zusammenkünfte boten den Kindern und Jugendlichen auch eine Gelegenheit, in entspannter Atmosphäre Zeit miteinander zu verbringen und Freundschaften zu knüpfen. Auf spielerische Weise lernten die Kinder dabei, respektvoll miteinander umzugehen und Konflikte gewaltfrei zu lösen.

Gemeinsame Feste:

Die beteiligten Kinder und Jugendlichen feierten am 19. November den internationalen Tag zur Verhütung von sexuellem Missbrauch an Kindern und am 25. November den internationalen Tag zur Beseitigung der Gewalt an Frauen. Durch diese öffentlichen Feste konnten sie weitere Kinder, Jugendliche und Erwachsene für diese Themen sensibilisieren.

Liebevolle, aktive Väter und Partner

Indikatoren:

50 Männer aus den begünstigen Familien lernen, aktive, liebevolle Väter und Partner zu sein. Zudem lassen sich 15 Männer zu Promotoren für aktive Vaterschaft und Geschlechter-Gleichstellung ausbilden.

Zielerreichung:

Im Jahr 2021 nahmen 44 Männer an verschiedenen Workshops zu den Themen Vaterschaft, Beziehung und Geschlechterrollen teil. 9 Männer liessen sich zu Promotoren ausbilden und erhielten Material wie etwa Plakate, Broschüren und Flyer.

Väter-Workshops:

Die 44 Männer nahmen an regelmässigen Workshops teil, wo sie sich über ihre Rolle als Mann, Partner und Vater austauschten und Rollenerwartungen hinterfragten. Sie lernten, ihre Partnerinnen als gleichberechtigt wahrzunehmen und zu ihren Söhnen und Töchtern eine liebevolle Beziehung aufzubauen. Dabei kamen Themen wie häusliche Gewalt, Verhütung, Unterhaltspflichten von Vätern und Mitarbeit im Haushalt zur Sprache.

Umfragen zur Einstellung gegenüber der Vaterrolle sowie zur Männerrolle in einer Beziehung

Anfang 2019 sowie Ende 2021 nahmen jeweils 37 Männer an einer Befragung zu ihrer Einstellung in Sachen Familie und Partnerschaft teil. Die Ergebnisse zeigen, dass in dieser Zeit deutliche Veränderungen stattgefunden haben.

Aussage Zustimmung 2019 Zustimmung 2021
Die Mutter und der Vater sind gleichermassen für die Verhütung von Schwangerschaften zuständig. 57% 97%
Ich wäre empört, wenn meine Frau oder meine Partnerin mich dazu auffordern würde, ein Kondom zu benutzen. 57% 22%
Windeln wechseln ist eher die Aufgabe der Mutter. 65% 24%
Männer können sich genauso gut um die Bedürfnisse von Kindern kümmern wie Frauen. 43% 97%
Wenn die Mutter eines Kindes mit einem anderen Mann zusam-men ist, braucht sich der Vater des Kindes nicht mehr um das Kind zu kümmern. 45% 14%
Väter sollen auch ihre älteren Söhne umarmen und ihnen ihre Gefühle zeigen. 46% 92%
Es ist nicht unbedingt schädlich, die Kinder zu schlagen, um ihr Verhalten zu korrigieren, solange man es nicht übertreibt. 41% 27%
Es gibt Situationen, wo es angebracht ist, dass ein Mann seine Frau schlägt. 16% 0%
Männer sollten bei wichtigen Entscheidungen im Haushalt das letzte Wort haben. 65% 8%

Talent-Festival

Das jährliche Talent-Festival von SOS-Kinderdorf gehört in Estelí schon fast zur Tradition. Es hat zum Ziel, die Bindung zwischen männlichen Bezugspersonen und Kindern zu stärken. Die Männer und Kinder führen gemeinsam Theater- oder Musikstücke, Tänze oder Kunststücke auf. Bei der Vorbereitung des Festes helfen auch andere Erwachsene mit. Durch die Aufführung kann eine breitere Öffentlichkeit für das Thema «aktive Vaterschaft» sensibilisiert werden.
Das Festival konnte mit den nötigen Hygienemassnahmen im Kulturzentrum von Estelí durchgeführt werden. Insgesamt führten 6 Männer zusammen mit 10 Kindern etwas auf. 74 erwachsene Bezugspersonen mit ihren Kindern sahen den Aufführungen zu, halfen beim Auf- und Abbau der Bühne mit oder organisierten einen Verpflegungsstand.

Stärkung der Gemeindebehörden und Öffentlichkeitsarbeit

Ziel:

Die Behörden schützen Kinder wirksam vor Gewalt und Vernachlässigung.

Weiterbildungen:

Im vergangenen Jahr besuchten 23 Mitarbeitende der lokalen Behörden, der Schulen, des Bildungs- und des Familienministeriums sowie von Stadtteil-Organisationen und Vereinen Weiterbildungen zum Thema Kinderrechte und Kinderschutz. Das Ziel bestand darin, tragfähige Kinderschutz-Strukturen auf städtischer und Stadtteil-Ebene zu schaffen oder zu stärken.

Konkrete Aktionen:

Im Verlauf der Workshops wurden Aktionspläne verabschiedet und umgesetzt. Inzwischen wurden 25 Familien dabei unterstützt, Alimente einzufordern und Geburtsscheine zu beantragen. Weiter wurde überprüft, ob die Kinder die Schule regelmässig besuchen. Familien, in denen Kinder vernachlässigt oder misshandelt wurden, wurden von Fachleuten begleitet. Das Ziel besteht darin, dass in den von SOS-Kinderdorf unterstützten Stadtteilen funktionierende Kinderschutz-Strukturen bestehen und diese nach und nach auch in anderen Stadtteilen aufgebaut werden können.

Herausforderungen und Lessons Learned

  • Die wirtschaftlich schwierige Situation belastete die Familien und führte dazu, dass auch einzelne von SOS-Kinderdorf unterstützte Familien das Land verliessen, um irregulär in die USA auszuwandern.
  • Wegen der Hygienemassnahmen konnten nicht alle Teilprojekte wie geplant durchgeführt werden. Es ist jedoch gelungen, den Kontakt zu den begünstigten Familien via Whatsapp und ähnliche Kanäle aufrechtzuerhalten.

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